folklore-europaea.org: Europäische Feste und Bräuche im Bereich des immateriellen Kulturerbes
Überblick
Die Datenbank „folklore europaea“, die sowohl als Teil der Website virtuelles-fastnachtsmuseum.de als auch unter https://folklore-europaea.org/ direkt online zu erreichen ist, macht mit Informationen zu über 5.000 traditionellen Festen und Bräuchen einen wichtigen Bereich des immateriellen Kulturerbes Europas sicht- und vergleichbar. Ihre zentrale Intention besteht darin, Gemeinsamkeiten, Wechselwirkungen und Unterschiede zwischen Kulturräumen zu verdeutlichen, Einblicke in Identitäten und Mentalitäten zu gewähren und anhand der Dynamik lokaler und regionaler Festkulturen zum Nachdenken über einen zentralen Bereich des kulturelles Kapitals Europas anzuregen.
Bibliographische Angaben
- Institution
- Museen der Schwäbisch-alemannischen Fastnacht
- Teilprojekt
- Kulturgut Fastnacht digital
- Autor*innen
- Prof. Dr. Werner Mezger
- Veröffentlicht
- 19.04.2023
- Lizenz der Publikation
- CC BY-NC-SA 4.0
- Kontakt
- Vera Jovic-Burger
Fastnachtsmuseum Narrenschopf, Bad Dürrheim
info@narrenschopf.de
Entwicklung
Da Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie in vielen ihrer Forschungsfelder stark komparatistisch arbeitende Wissenschaften sind, ist gerade im Bereich der Brauch- und Festforschung der Aufbau einer breit angelegten, komplex strukturierten einschlägigen Datensammlung wichtig. Rasche Zugriffe auf verlässliche, d. h. nach wissenschaftlichen Kriterien aufbereitete Informationen ermöglichen ethnographische Vergleiche und Analysen. Ziel des neuen Forschungsinstruments ist dabei nicht etwa die monomane Suche nach Gemeinsamkeiten populärer kultureller Ausdrucksformen, die es zweifellos in erstaunlichem Maße gibt, sondern genauso auch die Identifizierung von Unterschieden bis hin zu scharfen Gegensätzen. Das langfristige Gelingen europäischer Integration wird nämlich im Endeffekt weniger von der harmonisierenden Betonung kultureller Übereinstimmung als vom ethnologisch fundierten Umgang mit kultureller Differenz abhängen. So verstanden könnte auch die Formel „Unity in diversity“ mit der Zeit von der Phrase zum Programm werden, „folkore europaea“ möchte dazu einen Beitrag leisten.
Der größte Teil des Datenbestands von „folklore euiropaea“ wurde zwischen 2010 und 2019 von Studierenden des Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Freiburg zusammengetragen und in eine relativ einfache Datenbank eingepflegt. Im Zuge des Projekts „museum4punkt0“ wurde dieser schlichte Datenpool dann einem aufwändigen Relaunch unterzogen und mit neuen Digitalstrategien weiterentwickelt.
So bietet „folklore europaea“ jetzt fünf verschiedene Suchwege an, die sowohl der wissenschaftlichen Recherche dienen als auch interessierten Laien offenstehen. Über eine allgemeine Suche gelangt man durch Eingabe eines Ortsnamens, einer Festbezeichnung oder eines sonstigen Begriffs auf ganz konventionelle Weise zu den gewünschten Informationen. Die geographische Suche erlaubt durch Anklicken eines bestimmten Landes oder einer Region in schrittweise zoombaren Karten einen Datenzugang unter räumlichen Aspekten, der nach und nach verfeinert werden kann. Ein weiterer wichtiger Weg der Informationsgewinnung ist die zeitliche Suche im Jahreszyklus, der einen Überblick über terminliche Koinzidenzen oder Differenzen von Festen und Traditionen über größere geographische Räume hinweg ermöglicht. Des Weiteren gibt es eine Suche nach bestimmten Festen, die zunächst, wenn sie universalen Charakter haben, wie etwa Weihnachten oder Ostern, allgemein erklärt werden und dann nach bestimmten regionalen oder lokalen Gestaltungsformen abfragbar sind. Und schließlich wird eine thematische Suche angeboten, die sich in erster Linie an Expert*innen richtet. Hier finden sich bestimmte Themenbereiche, denen entsprechende Schlagworte mit weiteren Unterbegriffen zugeordnet sind. Entscheidend ist dabei, dass sich jeweils bis zu drei unterschiedliche Suchkriterien miteinander verknüpfen lassen, wie auch die großen, übergeordneten Suchläufe, etwa der geographische und der terminliche, bis zu einem gewissen Grad miteinander kombinierbar sind. Eben diese Tatsache, dass es sich bei „folklore europaea“ um eine relationale Datenbank mit integrierter Kombinatorik handelt, ermöglicht europaweite vergleichende Recherchen unter sehr speziellen Fragestellungen.
Die Suchergebnisse führen schließlich zu den eigentlichen Datensätzen, in denen die gefundenen relevanten Feste oder Bräuche jeweils mit ihren Kerndaten (Name, Termin, Ort) dokumentiert sind, dann in einer zoombaren Karte erscheinen und schließlich mit einem kurzen Text in ihrem Ablauf vorgestellt werden. Ein Großteil der eingepflegten Feste ist zudem mit einschlägigen YouTube-Videos verlinkt, so dass neben den knappen textbasierten Informationen vor allem auch erste visuelle Zugänge eröffnet werden.
Ein Rechercheinstrument wie „folklore europaea“ ist bisher in Europa einmalig und kann sowohl für die Forschung, die Kulturpolitik als auch für interessierte Laien hilfreich sein – nicht zuletzt für die UNESCO, wenn sie bestimmte Ausdrucksformen des immateriellen Kulturerbes überregional und transnational miteinander vergleichen möchte.