Recherchieren, austauschen, mitmachen: Die Web-Plattform „Materialisierung des Immateriellen“ zur digitalen Vermittlung von immateriellem Kulturerbe (IKE)
Überblick
Die aus dem Teilprojekt M 15 „Materialisierung des Immateriellen?“ erwachsene Web-Plattform „Materialisierung des Immateriellen im Museum“ stellt Informationen zur digitalen Vermittlung von immateriellem Kulturerbe (IKE) in Museen zur Verfügung. Dadurch soll der Austausch zwischen Praktiker*innen aus dem Museumsbereich, IKE-Träger*innen und Forschungsakteur*innen unterstützt und intensiviert werden. Im Zentrum der Plattform steht ein wachsendes Repertorium mit Steckbrief-Beschreibungen zu digitalen Anwendungen, die in Museen für die Vermittlung von IKE genutzt werden. Ein weiterer Bereich widmet sich den praktischen Erfahrungen der beitragenden Museen. In einem dritten Bereich werden die Ergebnisse der Studie, an der 101 Museen beteiligt waren, als empirische Grundlagen zur Verfügung gestellt. Die Web-Plattform möchte zur Diskussion rund um „IKE – Museum – digitale Vermittlung“ beitragen und bietet einen virtuellen Raum für Inspiration, Recherche und Austausch – auch über die Projektlaufzeit hinaus. Neue Beiträge sind willkommen!
Bibliographische Angaben
- Institution
- Institut für Museumsforschung
- Teilprojekt
- Materialisierung des Immateriellen?
- Autor*innen
- Dr. Friederike Berlekamp, Kathrin Grotz, Sontje Liebner, Prof. Dr. Patricia Rahemipour
- Veröffentlicht
- 06.06.2023
- Lizenz der Publikation
- CC BY 4.0
- Kontakt
- Kathrin Grotz
Institut für Museumsforschung (SMB-PK)
ifm@smb.spk-berlin.de
Entwicklung
Die Web-Plattform „Materialisierung des Immateriellen im Museum“ https://immateriell.smb.museum führt ein in die Thematik der digitalen Vermittlung von Immateriellem Kulturerbe (IKE) im Museum. Sie ermöglicht es ihren Nutzer*innen, zum Thema zu recherchieren, Inspiration für eigene Projekte zu finden und in den Austausch zu treten.
Inhaltliches Konzept
Die Web-Plattform entstand im Rahmen des Forschungsprojektes „Materialisierung des Immateriellen? Evaluation von Nutzung digitaler Medien für die Vermittlung immateriellen Kulturerbes (IKE)“ des Instituts für Museumsforschung. Immaterielles Kulturerbe, wie Glasmalerei, Wallfahrtsbräuche, Märchenerzählen oder auch Bierbrauen, wird von Generation zu Generation weitergegeben; es ist dynamisch, variantenreich, kommunikativ und oft kooperativ. Digitale Formate bieten hier Möglichkeiten, sich standortunabhängig mit einem IKE zu beschäftigen, sich auszutauschen, zu vernetzen und zu beteiligen. Auf diesen Vorüberlegungen aufbauend erörterte das Projekt die Frage, inwiefern digitale Angebote in Museen einen Beitrag speziell für die Pflege, Bewahrung und Vermittlung von IKE leisten und es weiterentwickeln können.
Die Web-Plattform knüpft hier an, denn sie wurde konzipiert, um die Sichtbarkeit von IKE und die damit verbundene (digitale) Museumsarbeit zu fördern, vielfältige Informationen zu liefern, Kontaktaufnahme und Austausch zu unterstützen sowie einen virtuellen Raum für Inspiration und Diskussion zur Verfügung zu stellen – auch über das Projektende hinaus.
Die Web-Plattform richtet sich an ein breites Publikum: Museumsmitarbeitende, IKE-Träger*innen, Museumsverbände und -vereine sowie Forschende, die sich mit IKE oder/und Museen befassen, sollen mit der Web-Plattform erreicht und in die Diskussion einbezogen werden.
In die Web-Plattform „Materialisierung des Immateriellen im Museum“ flossen die Ergebnisse einer breit angelegten Befragung von 101 Museen zum Status quo digitaler Vermittlungsangebote für IKE ein, außerdem die Auswertung zahlreicher weiterführender Interviews mit Museumsmitarbeiter*innen zu deren Erfahrungen mit der Entwicklung und Nutzung digitaler Angebote in diesem Bereich.
Aufgrund der Verschiedenartigkeit der gesammelten Daten und Inhaltsebenen sowie der Vielfalt der adressierten Zielgruppen und deren Interessen wurden für die Bereitstellung und Visualisierung der Informationen unterschiedliche Formate und Vertiefungsmöglichkeiten gewählt:
- Das Repertorium „Anwendungen“ präsentiert das breite Spektrum digitaler Anwendungen, mit denen Museen IKE vermitteln. In kurzen Steckbrief-Beschreibungen und tags werden Informationen z. B. zu Vermittlungsansätzen, Vermittlungszielen, Zielgruppen, technischen Merkmalen, Benutzungsweise oder auch Budget geliefert. Die beobachteten Mehrwerte der digitalen Anwendungen werden gesondert berücksichtigt. Hier wird unterschieden zwischen Mehrwerten für a) die museale Vermittlung von IKE, b) die Pflege von IKE sowie c) die Nachhaltigkeit der Museumsarbeit.
- Das Repertorium „Häuser“ stellt diejenigen Museen vor, in denen diese Anwendungen präsentiert werden. Es liefert strukturierte Informationen zum museologischen und IKE-bezogenen Profil und bietet die Möglichkeit, das jeweilige Haus zu kontaktieren und in den Austausch mit ihnen zu treten.
Die Datensammlung für die auf Anwendungen und Häuser bezogenen Repertorien ist nicht abgeschlossen, sondern darauf bedacht, stetig weiterzuwachsen. Das Institut für Museumsforschung wird sich auch nach Projektende aktiv um weitere Datenlieferungen bemühen und diese kontinuierlich einpflegen. - Unter der Rubrik „Good Practices“ findet sich eine Zusammenstellung der wichtigsten Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Entwicklung digitaler Angebote. Sie bietet neben den Steckbrief-Beschreibungen wertvolle Orientierung für die Prozessplanung digitaler Projekte. Hier kommen die befragten Museumsmitarbeitenden selbst zu Wort und teilen ihre Einschätzung zu den Aspekten: Zusammenarbeit mit IKE-Träger*innen, Potenziale der digitalen Vermittlung, (Weiter)Entwicklung, (Nach)Nutzung sowie Projektmanagement.
- Der Reiter „Empirische Grundlagen“ gibt Einblicke in die Forschung, die innerhalb des Teilprojektes erfolgte. Im Überblick wird das bisher noch wenig erschlossene Forschungsfeld „IKE – Museum – digitale Vermittlung“ umrissen, sowie die empirische Studie, ihre Methoden und ausgewählte Ergebnisse kurz vorgestellt. Die komplette Studie mit der Auswertung und Analyse der quantitativen und qualitativen Datenerhebungen ist als PDF eingebunden und leistet damit einen Beitrag für weitergehende Untersuchungen dieses bislang wenig berücksichtigten Forschungsfeldes.
Die Web-Plattform ist somit, wie auch die im Rahmen des Projektes dokumentierten Vermittlungsangebote, selbst eine digitale Anwendung, die Immaterielles Kulturerbe (IKE) im Museumskontext sichtbar und erfahrbar macht. Mit ihrem empirischen Ansatz möchte sie die Diskussion anregen, welchen Beitrag Museen zur Pflege, Vermittlung und Weiterentwicklung von IKE heute und zukünftig leisten (können) und dabei den Austausch zwischen Museumsmacher*innen, IKE-Träger*innen und Forschenden intensivieren.
Technisches Konzept
Die Visualisierung/Medialisierung von immateriellem Kulturerbe ist eine besondere Herausforderung – das galt auch für die Entwicklung dieser Web-Plattform. Verschiedene Elemente des IKE, wie Diversität, Dynamik, Multiperspektivität, Kollaboration, Komplexität und Emotionalität, wurden bei der Entwicklung und Gestaltung besonders berücksichtigt, um so dem Thema (inhaltlich und auch visuell) gerecht werden zu können.
Bereits die landing page verweist auf diese Elemente. Dafür wurden nicht nur grafische Features, wie Animationen oder mit künstlicher Intelligenz (DALL·E 2) generierte Visualisierungen, sowie Zitate von Praktiker*innen aus den Museen genutzt. Die landing page bietet darüber hinaus unterschiedliche Zugänge zum Thema: Man kann zielgerichtet und rational die Menüleiste zu nutzen, um zu den gewünschten Themenbereichen und Informationen zu gelangen. Visuell gestaltete Teaser für einzelne Anwendungen und Museen bieten mögliche Einstiege in die Thematik und unterstützen die interessenorientierte Nutzung der Website. Die innovativen KI-Visualisierungen bieten darüber hinaus assoziativ-emotionale Zugänge, indem sie die spielerische Neugierde ansprechen, ohne dass Vorwissen benötigt wird. Insbesondere im Bereich „Anwendungen“ vermitteln die Bilder, die von einer KI auf Grundlage der Anwendungstitel generiert wurden, sehr eindrücklich und phantasievoll die Vielfalt der dokumentierten digitalen Vermittlungsangebote.
Die Bereiche „Anwendungen“ und „Museen“ konzentrieren sich auf die gezielte Recherche. Auf eine Suchfunktion wurde verzichtet, da diese ein konkretes Vorwissen zu Inhalten und Termini seitens der Nutzer*innen voraussetzt. Zudem wären dafür umfassendes Wissen zum Nutzer*innenverhalten und -interessen bereits in der Konzeptions- und Entwicklungsphase nötig gewesen. Stattdessen ermöglichen nun differenzierte Filter eine Fokussierung auf (1) IKE-Bereiche (2) Merkmale der Anwendungen (z. B. Anwendungstypen, Hardware, Software, Benutzung, Zielgruppen und Budget) und (3) Struktur-Merkmale der Häuser (z. B. Museumstyp, Sammlungsgröße, Besuchszahlen). Tags ermöglichen es den Nutzer*innen darüber hinaus, je nach Interesse individuelle Ergebnisgruppen zu bilden. Die Kategorien für die Filter basieren auf dem Fragebogen der Studie im Hintergrund, auf den gesamtstatistischen Datenerhebungen des Instituts für Museumsforschung. Für die tags wurden zusätzliche Aspekte berücksichtigt, die von den Interviewpartner*innen der Studie als relevante Größen genannt wurden.
Jede Anwendung ist mit einem Datenblatt versehen, das als PDF heruntergeladen und abgespeichert werden kann. Damit haben Nutzer*innen der Web-Plattform die Möglichkeit, ihre Recherche zu dokumentieren, zu kommentieren und individuelle Sammlungen anzulegen. Von einer in der Entwicklungsphase diskutierten Nutzung digitaler Portfolios wurde Abstand genommen, um den Arbeitsaufwand (Verwalten der Nutzer*innenkonten und -daten) und die Schwellen (Anmeldungen für Nutzer*innen) möglichst niedrig zu halten.
Für die Web-Plattform „Materialisierung des Immateriellen im Museum“ ist Vernetzung zentral – und das auf sehr verschiedenen Ebenen. Die Bereiche „Anwendungen“ und „Häuser“ sind nach IKE-Bereichen sortiert und so miteinander verschränkt, dass man problemlos hin und her wechseln kann. Auch die Wortbeiträge der Museumspraktiker*innen in der Rubrik „Good Practices“ sind mit den entsprechenden Anwendungen und Häusern verknüpft. Links zu den Websites der einzelnen Häuser erlauben zudem eine direkte Kontaktaufnahme, um die eigenen Recherchen zu vertiefen und in den Austausch zu kommen.
Um die Inhalte der Website stetig zu erweitern und den Austausch mit den Nutzer*innen der Web-Plattform zu pflegen, gibt es einen Kontakt-Button. Dieser erscheint in allen Bereichen in der oberen Ecke des Displays und bleibt auch beim Scrollen stets präsent. Über ihn erreichen die Nutzer*innen eine eigene Seite im Auftritt. Dort können Interessierte ihre Projekte über ein Kontaktformular für die Aufnahme in die Datenbank einreichen. Die Rückmeldung erfolgt direkt an das Institut für Museumsforschung, das die Web-Plattform für die Nutzer*innen-Community fortlaufend aktualisiert.
Nachnutzung und Weiterentwicklung
Ursprünglich war die Präsentation der Forschungsergebnisse von M 15 „Materialisierung des Immateriellen?“ als ein Extra-Modul der Ergebnisseite von museum4punkt0 vorgesehen. Da sich im Projektverlauf zeigte, wie groß die Relevanz des Themas und das Interesse am Austausch sowohl bei den befragten Museen als auch bei IKE-Träger*innen und Forschenden ist, entschied man sich im Sinne der Nachhaltigkeit dafür, die dynamische Diskussion und Kommunikation mittels einer eigenen Web-Plattform auch über das Projektende hinaus zu gewährleisten.
Die Web-Plattform „Materialisierung des Immateriellen im Museum“ ist somit kein abgeschlossenes Projekt. Sie kann und soll sich vielmehr weiterentwickeln: mit weiteren Präsentationen von digitalen Vermittlungsangeboten, Erfahrungsschätzen, Themenfeldern oder auch mit ganz neuen Modulen. Das Hosting der Web-Plattform wurde folgerichtig nach dem Ende der Projektlaufzeit von museum4punkt0 vom Institut für Museumsforschung weiter beauftragt. Die Plattform wird vom Institut zukünftig als Medium und Werkzeug für weitere Forschungsarbeit und Vernetzung auf dem Gebiet des Immateriellen Kulturerbes in Museen genutzt.
Bereitstellung der Nachnutzung
Die Quelldateien mit ihrer technischen Dokumentation stehen auf GitHub zum Download und zur individuellen Anpassung zur Verfügung. Der Code der Anwendung kann auf GitHub recherchiert und verwendet werden. Die Bilder, die auf der Plattform gezeigt werden, sind durch ein entsprechendes Copyright geschützt.
Erfahrung
Bereits bei der Konzeption digitaler Projekte sollte darauf geachtet werden, wie sich die Nutzung der Anwendung gestalten wird, mit Blick sowohl auf die personelle Verantwortlichkeit als auch die finanzielle Ausstattung und technische Einbettung. Offenheit ist bei solchen Projekten unverzichtbar, um agil in den Prozessen der Konzeption und Entwicklung sein zu können und um technische Weiterentwicklungen zu ermöglichen.