Trompe-l’œil: Ein Augmented-Reality-Prototyp für die Gemäldegalerie

Anwendung Trompe-l'œil
Welches Potenzial haben Augmented Reality-Technologien in der Vermittlung kunsthistorischer Inhalte? museum4punkt0 erforscht diese und andere Fragen anhand der prototypischen Anwendung Trompe-l’œil, die Besucher*innen auch die sonst verborgenen Rückseiten eines Triptychons in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin zeigt, Foto: Staatliche Museen zu Berlin / Ceren Topcu, CC BY 4.0

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Rubrik
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Entwicklungsstand
Nachnutzung

Ist die Augmented-Reality-Technologie mit klassischen Konzepten der Kunstmuseen kompatibel? Welchen Mehrwert bietet diese Technologie für das Besucher*innen-Erlebnis? Diese Fragen stehen im Zentrum der Entwicklung des AR-Prototyps „Trompe-l’œil“ für die Berliner Gemäldegalerie.

„Trompe-l’œil“ ist eine prototypische Tablet-Anwendung für Objekte der Gemäldegalerie. Die App hält Augmented-Reality-Features bereit, mit Hilfe dessen die Darstellung, Erzählung und Vermittlung der Objekte durch Audio-, Text- und Bildformate erweitert wird.

Bibliographische Angaben

Institution
Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Teilprojekt
(De-)Coding Culture. Kulturelle Kompetenz im Digitalen Raum
Autor*innen
Ceren Topcu
Veröffentlicht
15.12.2020
Lizenz der Publikation
CC BY 4.0
Kontakt
Timo Schuhmacher
Staatliche Museen zu Berlin
m4p0.m1@smb.spk-berlin.de

Einleitung

Der High-Fidelity-Prototyp beinhaltet AR-Features für insgesamt vier Kunstwerke der Sammlung. Die Anwendung wird via Tablet (iPad) und Kopfhörer verwendet.

Das Ziel des AR-Prototyps besteht darin, das Potenzial der AR-Technologie zur Darstellung und Vermittlung kunsthistorischer Inhalte zu erforschen. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk darauf, die Kunstwerke ins Zentrum des Besucher*innenerleb­nisses zu stellen, nicht die Technologie selbst.

Entwicklung

Im Zuge von museum4punkt0 wurde eine intensive Besucher*innenforschung in den Staatlichen Museen zu Berlin durchgeführt. Dabei konnten wir zwei zentrale Bedürfnisse der Gemäldegalerie-Besucher*innen ermitteln:

  • Kontextualisierung: Die Besucher*innen wünschen sich allgemein mehr Informationen zu den jeweiligen Kunstwerken. Die Verbindungen zwischen dem gezeigten Werk und der historischen Epoche, der es entstammt, wurden als teilweise zu abstrakt und aus dem Kontext gerissen beurteilt.
  • Räumliche Orientierung: Besucher*innen finden sich in den Ausstellungsräumen oftmals nicht allein intuitiv zurecht.

Der Einsatz von AR-Technologie in der Gemäldegalerie ist darauf ausgelegt, das Besucher*innen-Erlebnis effektiv zu verbessern, ohne dabei andere Besucher*innen, welche die Anwendung nicht benutzen, in ihrer Museumserfahrung zu beeinträchtigen.

Inhaltliches Konzept

„Trompe-l’œil“ ist eine voll funktionsfähige Tablet-Anwendung, die mit Audio-, Text-, und Bildformaten sowie mit einer Vielzahl von AR-Features arbeitet – etwa Röntgenaufnahmen, Animationen und Kommentaren, die das Kunstwerk beim Vorhalten des Tablets auditiv und visuell überlagern. Der Prototyp beinhaltet AR-Inhalte für vier Kunstwerke der Sammlung und funktioniert wie folgt: 

  • Der/die Nutzer*in hält ein Tablet vor das jeweilige Bild. Die Kamera des Tablets scannt das Bild und Points of Interest (POIs) werden in Form von Seifenblasen, die über dem dahinterliegenden Bild schweben, auf der Bildoberfläche des Tablets angezeigt. Für jedes Bild sind mindestens zwei – höchstens fünf – solcher POIs verfügbar.
  • Tippt der/die Nutzer*in auf eine der Seifenblasen, werden die hier abgelegten Inhalte erfahrbar. Prinzipiell sind Audio-, Text- und Bildinhalte vorhanden. Darüber hinaus gibt es AR-Inhalte, die es Besucher*innen ermöglichen, das jeweilige Kunstobjekt auf überraschende Weise zu erkunden – etwa durch die Darstellung des Öffnens und Schließens eines Triptychons, durch Vorlagerung der Röntgenuntersuchung eines Gemäldes oder durch die visuelle Entschlüsselung seiner Ikonografie.

Durch das Überraschungsmoment der AR-Funktionen entstehen positive Bezugnahmen der Betrachter*innen auf die Kunstwerke. Dadurch wird die emotionale Bindung zum Museum gestärkt oder etabliert.

Die Funktionsweise der App gleicht einem Schlüssel, der die Kunstwerke für die Besucher*innen lesbar macht und ihnen Informationen vermittelt, mithilfe derer sie den Kunstwerken auf einer nachgelagerten Verständnisebene begegnen können. Damit wird die Sammlung für ein breites – besonders für ein jüngeres Publikum – attraktiver. 

Das Ziel des AR-Prototyps „Trompe-l’œil“ besteht darin, das Potenzial der AR-Technologie zur Darstellung und Vermittlung kunsthistorischer Inhalte zu erforschen. Besucher*innen sollen die ausgestellten Kunstwerke neu erleben können und zudem Mittel an die Hand gegeben bekommen, sich intensiver als zuvor mit ihnen auseinanderzusetzen. Idealerweise können sie so neue Erkenntnisse über die Sammlung gewinnen. Eine Priorität in der Entwicklung des Prototyps bestand darin, dass die Kunst in der Besucher*innen-Erfahrung weiterhin im Vordergrund steht – nicht die Technologie. 

Die App richtet sich an Besucher*innen – allen voran Explorers und Experience Seekers (Motivationstypen nach John H. Falk) – im Alter zwischen 14 und 29 Jahren. Der Prototyp wurde am 25. August 2018 während der Langen Nacht der Museen öffentlich getestet. Im Anschluss wurde eine Umfrage mit den Besucher*innen zur Evaluierung des Prototyps durchgeführt. Dieser zufolge haben neun von zehn Besucher*innen das Erlebnis mit der App als sehr positiv bewertet und würden diese gerne in der gesamten Gemäldegalerie nutzen.

Case Study-Video mit Sequenzen aus dem User-Testing während der Langen Nacht der Museen 2018 in der Gemäldegalerie, Video: Jana Koelmel (CC: BY-NC-SA)

Technisches Konzept

Diese Anwendung wurde mit Unitiy, einer Laufzeit- und Entwicklungsumgebung für Spiele (Spiel-Engine), poduziert. Um Unity mit ARkit zu verbinden wurde das UnityARKit-Plugin verwendet. Damit können die Bewegung des mobilen Geräts verfolgt, der Kamerafeed hinzugefügt und die für die Lokalisierung verwendeten Markenbilder verfolgt werden. Der Inhalt jedes Gemäldes wird in einem Scriptable Objects in den Assets/Areas gespeichert. Diese definieren den Ton, der abgespielt werden soll, und den Text, der sichtbar ist. Die Anwendung verfügt über kein eigenes Content-Management-System. Daher erfolgt die Inhaltseingabe durch Unity. Für die Weiterentwicklung wird empfohlen, ein eigenes Content-Management-System in die Anwendung zu integrieren. 

Implementierung

Für die finale Implementierung dieses High-Fidelity-Prototyps in den Ausstellungshäusern sollten folgende Voraussetzungen vorhanden sein: 

  • Ein interdisziplinäres Teams, bestehend aus Kurator*innen & Vermittler*innnen (für die Entwicklung der Inhalte), UX- und UI Designer*innen (für die mediengerechte Aufbereitung der Inhalte) und  Developer*innen mit Unity Kenntnis.
  • Ein hochauflösend digitalisierter Bilderbestand (2D oder 3D).
  • Eine öffentliche WLAN Verbindung in den Ausstellungsräumen.

Nachnutzung

Der Prototyp kann von den kunsthistorischen Museen oder anderen Museen, deren Inhalte visuell sind, weiterentwickelt und nachgenutzt werden. Das Projekt erfordert ein interdisziplinäres Team, das aus Kurator*innen, Designer*innen, Redakteur*innen und Creative Technologists besteht. Ohne interdisziplinäre Zusammenarbeit kann die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung nicht sinnvoll erfolgen.

Weitere Ergebnisse im Teilprojekt

Bild zum Ergebnis: Digitales Begleitmedium zur Sonderausstellung „Mantegna und Bellini“
Digitale Vermittlungstools

Digitales Begleitmedium zur Sonderausstellung „Mantegna und Bellini“

Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Neben der Möglichkeit, Tickets und Führungen im Voraus online zu buchen, wird auf der Website der künstlerische Dialog zwischen den Malern Andrea Mantegna und Giovanni Bellini multimedial aufbereitet.
Bild zum Ergebnis: (De-)Coding Culture. Wie Besucher*innen mit KI Museen neu erleben
Studien und Handreichungen

(De-)Coding Culture. Wie Besucher*innen mit KI Museen neu erleben

Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Mit (De-)Coding Culture rücken wir sie in den Mittelpunkt. Für die Erweiterung der Sammlungen Online bei den Staatlichen Museen zu Berlin durch Technologien der Künstlichen Intelligenz haben wir deswegen die Besucher*innen selbst zu Wort kommen lassen. In drei Workshops sind wir mit einer Fokusgruppe in den Austausch getreten, haben Fragen gestellt und gemeinsam alle Aspekte rund um den Museumsbesuch diskutiert. Aus den Erkenntnissen haben wir einen Visions-Prototyp für eine KI-basierte Museums-App entwickelt.

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